With a little help from Ikea

ikea tasche frakta
Höllenhunde sind meist hochsensibel; schon deshalb agieren sie nicht so verhaltensneutral wie andere Hunde. Tragen sie noch zusätzlich ein doppeltes Nordpol-Gen in sich, ist meist Schluss mit lustig, vor allem wenn es darum geht, wer den längeren Atmen hat.

Sie mögen es vielleicht nicht glauben und auf den ersten Hingucker sieht es auch nicht so aus, aber lassen Sie es mich in beschönigende Worte fassen: der Mensch ist es sicher nicht. Den längeren Atem hat immer der Hund. Immer. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint.

Der Mensch, der einen Nordpolhund seinen Freund nennt sollte von äußerst ausgeglichenem Gemüt sein und/oder möglichst immer eine Großpackung Baldrianhochdosistabletten zur Hand haben, für sich, wohlgemerkt, nicht für den Hund.
Manchmal braucht es auch nur eine Frakta-Tasche, aber dazu kommen wir später. Denn handelt es sich um einen eher nervösen Charakter wird das Ende ein eher unschönes sein. Für den nervösen Menschen, ebenfalls nicht für den Hund.

Schlittenhunde sind stur wie die Hölle.

Wollen sie etwas nicht (oder schon) können sie es aussitzen, nötigenfalls stundenlang. Im Fall meines reizenden Exemplars bin ich sicher, er käme mit der Aussitznummer locker ins Buch der Rekorde.

Wir gehen manchmal beispielsweise nicht mehr freiwillig ins Haus hinein. Weil es nämlich draußen sehr viel lustiger ist, vor allem, wenn es biestig schneit, möglichst sehr kalt ist oder der Nordwind weht. Nordpol!, denkt der Höllenhund und sein diabolisches Feuer entzündet sich so schnell wie ein Anzündholz im Schwedenofen, vor dem ich bei Eskimowetter gerne sitzen würde.

Wir haben so einen Schwedenofen. Wir brauchen aber kein Holz mehr zu kaufen, denn seit das Hündchen bei uns eingezogen ist wohnen wir lieber im kalten Haus. Ungeheizte Räume, damit es sich wohl fühlt, das Tier. Das Hündchen wäre trotzdem lieber draußen im Garten und zwar Tag und Nacht. Also nicht dass der Hund krank wäre oder je traumatische Erlebnisse im Haus hatte. Ich kann das beim Leben meiner Eltern beschwören, hatte er nicht.

Er ist leider klug.

Manchmal zu klug, denn er weiß ganz genau, wie er einen Spaziergang möglichst lang ausdehnen kann. Indem er seine besten Waffen gegen mich einsetzt, nämlich seinen Dackelblick und seine 33 Kilo Lebendmasse, die sich dann einfach konsequent dagegen sträuben, dort hinzugehen, wo ich will, kriegt er alles was er will. Er bleibt einfach plötzlich stehen. Ich kenne diesen Blick. Gehe ich dann in die Richtung, in die er auch gehen möchte ist alles fein. Manierlich und ohne an der Leine zu zerren schreiten wir elegant voran. Gebe ich allerdings nicht nach, setzt er sich einfach hin. Ich könnte dann an seinem Brustgeschirr zerren, am Halsband ziehen, ich könnte ihn schubsen, locken, schieben, mit frischem Ochsenziemer oder Schinken vor seiner Nase wackeln; ich könnte Quietschenten vor ihm fallen lassen, Bälle rollen oder sogar einen Hamburger vor seinen Schlund drapieren: Nichts geht mehr! Selbst wenn ich heftiger anziehe (so, dass er sich garantiert weh tut, weil er dann schreit, da ihm ohnehin die Knochen wehtun) bleibt er stur.

Bis ich nachgebe. Denn wer fügt schon gerne seinem geliebten Hund Schmerzen zu. Ich jedenfalls nicht. Dann gehen wir halt dahin, wo er will, solange wie er will und mir wird kalt und immer kälter und ich werde alt und immer älter während er aufblüht, draußen im Freien, während ich ihn verwünsche und langsam verfalle. Jedenfalls kommt es mir manchmal so vor.

Die Königsdisziplin dieses lustigen Spiels ist das Heimkommen.

Er weiß, dann muss er wieder in verhasste Haus, weil es ihn draußen im Garten nämlich im Winter zuschneien würde und ganz ehrlich, wer will das mit ansehen?
Darum bleibt er an schlechten Tagen einfach fünf Schritte vor der Haustüre stehen, wie einbetoniert. Und da es sich leider nicht um ein Minihündchen handelt, welches man praktischerweise einfach hochhebt und nach Hause trägt, kommt man ins Schwitzen.

Zuerst wird man zornig. Fehler, großer Fehler!

Leicht erzürnbare Personen sollten sich niemals einen Nordischen halten, ich rate dringend davon ab! Nur pure Buddhisten oder Yedimeister sollten diese Rasse wählen, möglichst irgendwo in Alaska. Oder Menschen, die mindestens immer einen Plan B oder C bei der Hand haben und zusätzlich sehr viel Zeit. Ich gehöre zur zweiten Sorte Mensch. Wenn ich keinen Ausweg mehr sehe werde ich sehr schnell sehr schlecht gelaunt. Dann borstet der Hund noch mehr wider und setzt sich nicht fünf Schritte vor der Haustüre, sondern womöglich schon am Parkplatz nieder, um augenblicklich zur Sphinx zu erstarren. In ganz üblen Fällen wo mir schon die Augäpfel aus dem Gesicht quellen während ich freundlich säusle „Komm, Herzerl!“, steigt er gar nicht erst aus dem geliebten Auto aus sondern bleibt gleich dort sitzen.

Plan B!

Ich sage nur: Haben Sie in so einem Fall immer Plan B bei der Hand, egal wie der auch aussieht. Alles geht, was gewaltfrei ist.
Bei uns war es das Einkaufsparadies für Familien welches die zündende Idee gab. Ich danke hiermit hochoffiziell dem Erfinder der ewig haltbaren, unzerstörbaren, robusten Ikea-Frakta-Tasche. Denn ich grübelte und grübelte was ich gegen demenzhafte Sturheit des Hundes machen könnte, um das innig geliebte, geschätzte Haustier, das manchmal eher an einen Zombie oder den re-inkarnierten Dexter erinnert, ins Haus zu bekommen.

Tata!

Zu Ikea gebraust, eine 4 Euro Plastiktasche erstanden, in diese vier Löcher geschnitten und drei Riemen angenäht und das Problem war gelöst. Vielleicht nicht so elegant wie mit dem 300 Euro Tragegurt-Geschirr für Polizeihunde aber dafür genauso hilfreich. Den überraschten sturen Hund dezent und fröhlich probeweise indoor in diese Tragehilfe verfrachtet und kurz auf Reißfestigkeit und Toleranz des Insassen getestet, dann belohnt und wieder ausgepackt und fertig war Plan B.

Als er es wieder vor der Haustüre aussitzen wollte, holte ich flugs die Tasche und dann hob ich das Höllentier in der Tasche an drei Riemen hoch, seine vier aus den Löchern herausschauenden Füsslein konnten freiwillig mittrippeln oder es bleiben lassen.

Schon ging es sekundenschnell ab nach Hause.

Wo man mich kurz empört mit Verachtung strafte. Damit kann ich aber leben, denn drinnen ist es zwar nicht wohlig warm, aber ich habe wenigstens Tee und Kuchen. Und einen Hund, der unverletzt in Sicherheit gebracht werden kann, dank dieser Self-Made Tasche.

Dies ist bitte keine Tierquälerei, denn der Hund verbringt keine drei Minuten in der Tasche und ich zippe sie ja auch nicht zu. Vorne schaut der Kopf heraus, hinten der Schwanz. Er wird darin nur sicher dorthin befördert, wo man ihn haben will, ohne ihn zu stressen und ohne ihm weh zu tun. Kann auch ganz hilfreich sein, falls er mal verletzt irgendwo liegt, denn heben Sie einen 33 Kilo schweren Vierbeiner alleine auf. Das ist so gut wie unmöglich. Mit Hilfe dieser Tasche kann aber auch eine zarte Frauensperson auf kurzer Strecke einen schweren Hund problemlos transportieren.

Der Hund, im Haus angekommen, zeigt keinerlei Abwehrreaktionen, er steht brav da und lässt sich wie ein Lamm in die Tasche verpacken und auch wieder aus ihr herausschälen, während ich ihn lobe. (Was ihm auch egal ist.)

Nur die Nachbarn, vor deren Küchenfenster ich mit dem Taschenwolf vorbei muss, sehen mich seither befremdlich an. Gesagt haben sie aber nichts, genauso wenig wie der Höllenhund. Der allerdings deshalb, weil er ganz sicher weiß, dass ich wirklich die allerletzte Instanz bin, die ihm immer die Stange hält, trotz all seinen Marotten.

Jeder andere hätte schon längst das Handtuch geschmissen. Ich aber liebe wohl die Herausforderung, genauso wie ihn.

Herzlichst, Ihr Bela Wolf

Tierarzt, Journalist und Autor